Aktuelles

Bußgeldverfahren

OLG Celle

Wiedererkennen auf Radarfoto - Begründungsmängel

Mit Beschluss v. 01.09.2008 hat der 2. Senat des OLG Celle das Urteil gegen einen mutmaßlichen Temposünder wegen durchgrei- fender Begründungsmängel aufgehoben, den das Amtsgericht Holzminden anhand eines Radarfotos identifiziert und zu einer Geldbuße nebst Fahrverbot verurteilt hatte.

Beschluss vom 01.09.2008 - 322 SsBs 198/08

38 Js 36654/07 StA Hildesheim


Beschluss in der Bußgeldsache

gegen   Dr. W

Verteidiger: RA Prof. Dr. Stern und Dr. Harald Pickenpack,
Nikolausberger Weg 27/29, 37073 Göttingen

wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbe-schwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Holzminden vom 20. Mai 2008 nach Anhörung und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch Richter am Oberlandesgericht Rosenow

am 1. September 2008 beschlossen:.

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an dieselbe Abteilung des Amts- gerichts Holzminden zurückverwiesen.


Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 250 € verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 10. Juni 2007 um 13.15 Uhr in der Gemarkung Dielmissen die Bundesstraße 240 mit einem Pkw in Richtung Eschershausen auf Höhe Km 4,6 mit einer Geschwindigkeit von 161 km/h, obwohl dort die allge- mein zulässige Höchstgeschwindigkeit für Landstraßen mit einem Fahrstreifen je Fahrtrichtung von 100 km/h außerorts galt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es eines näheren Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht bedarf.

Die Urteilsfeststellungen sind lückenhaft. Ein auf die Sachrüge zu beachtender Mangel liegt darin, dass die Ausführungen zur Feststellung der Identität des Betroffenen nicht ausreichen, um dem Senat die Überprüfung der Beweiswürdigung zu ermöglichen.

Urteilsgründe müssen so gefasst sein, dass das Rechtsbe- schwerdegericht nachvollziehen kann, ob das von der Geschwin- digkeitsmessanlage aufgenommene Belegfoto die Identifizierung einer Person erlaubt.

Diese Forderung kann das Tatgericht dadurch erfüllen, dass es in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß §§ 277 Abs.1 S.3 StPO, 71 Abs.1 OWiG Bezug nimmt (vgl. BGHSt 41, 376, 382; ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, zuletzt Beschlüsse vom 9. Juni 2008, 322 SsBs 114/08, und vom 16. April 2008, 322 SsBs 87/08). Dann wird die Abbildung als solche unmittelbar zum Bestandteil der Urteilsgründe und der Senat kann sich durch Augenscheinseinnahme überzeugen, ob das Bild von ausreichender Qualität für eine Identifizierung ist. Das ist hier nicht der Fall. Denn das Amtsgericht hat lediglich ausgeführt, dass es den Betroffenen anhand des von dem Geschwindigkeitsmessgerät erstellten Beweisfotos als Fahrzeug- führer identifiziert habe, und die Seitenzahl angegeben, auf der sich das Beweisfoto in den Akten befindet. Das ist - auch in Zusammenhang mit den nachfolgenden Urteilsausführungen - keine ordnungsgemäße Bezugnahme i.S.v. § 267 Abs.1 S.3 StPO, sondern allenfalls eine Beschreibung des Beweiserhe- bungsvorgangs bei der amtsgerichtlichen Augenscheinsein- nahme. Diesen Ausführungen ist nicht deutlich und zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Lichtbilder bzw. deren Kopien zum Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht werden sollten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Januar 2004, 222 Ss 196/03 - Owi - und vom 16. April 2008, a.a.O.).

Ist ein ordnungsgemäßer Verweis auf ein Lichtbild wie vorliegend nicht erfolgt, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenarten so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Beweiseignung des Fotos ermöglicht wird (BGH a.a.O. 384; Senatsbeschlüsse vom 26.6.2003, 222 Ss 96/03 – Owi; 23.10.2003, 222 Ss 226/03 – Owi; 26.2.2008, 322 SsBs 31/08; 16.4.2008, a.a.O.) Auch diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, weil der Tatrichter im Wesentlichen nur das Ergebnis seiner vergleichenden Betrach- tung mitteilt. Die Schilderung der Übereinstimmungen zwischen Betroffenen und der auf dem Messfoto und weiteren Lichtbildern abgebildeten Person erschöpft sich in dem vagen Hinweis, dass das Gericht anhand der Kopfform, des Halsbereichs und der Nasen-Mund-Partie das Foto ohne Zweifel dem Betroffenen zuordnen konnte. Das genügt den aufgezeigten Anforderungen nicht, zumal auch die Darlegungen zur Qualität des Messfotos unzureichend sind, was umso mehr gilt, als der Tatrichter ausdrücklich ausführt, dass die weiteren angesehenen Fotos von besserer Qualität waren als das Messfoto.

Bereits aufgrund dieses aufgezeigten Mangels konnte das angefochtene Urteil insgesamt auf die Sachrüge keinen Bestand haben. Der Senat konnte allerdings nicht gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entscheiden, weil ergänzende Feststellungen möglich und geboten sind und ein Verfahrens- hindernis nicht besteht.

Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat noch darauf hin, dass die Urteilsformel nicht dazu dient, die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls wiederzugeben, sondern nur die rechtliche Bezeichnung der Tat in knapper verständlicher Form enthalten soll (vgl. nur Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., Rn. 20 zu § 260).

Rosenow

Stand: 14. September 2008